Kolumne

Neb­lige Landschaft

In der November-​Kolumne späht Tho­mas Josi durch den Nebel.

Jetzt ist sie wieder da, die Zeit, wo sich der Nebel in unser Dorf hineinschleicht. Am Morgen stehen wir auf und sehen grau, wenn wir aus dem Fenster schauen. Grau, düster, undurchsichtig bewegt sich der Nebel um die Ecken der Häuser und bleibt und bleibt und bleibt… 

Es habe lange nicht mehr so viel Nebel, wie es früher einmal hatte, sagen mir die alten Buchser, die auf viele Jahrzehnte Leben im Dorf zurückblicken, nicht wie ich, der ich noch nicht lange zugezogen bin. Und ich erinnere mich, wenn ich früher über den Chappelisacher die Hauptstrasse in den Sand hinuntergefahren bin, da hatte es oft Nebel und man tauchte im Sand in eine dichte Nebelbank ein. Das erlebe ich heute seltener...

Und trotzdem, der Nebel ist wieder da. Ich sag’s ehrlich. Zum Nebel pflege ich ein ambivalentes Verhältnis. Auf der einen Seite mag ich ihn gar nicht, diesen Dunkel- und Kaltmacher, diesen manchmal unheimlich anmutenden Heranwabberer mit dem alles verschwimmen lassenden nebligen Grau. Auf der anderen Seite beschert er mir auch schöne Momente: z.B. wenn ich mich beim Heimkommen durch den Nebel gehe, speziell, wenn es noch am Regnen ist, die feucht-kalte Luft in meine Haut einzudringen beginnt und ich dann in die warme Wohnung komme, eine Kerze anzünde, mich auf das Sofa fallen lasse und ein wunderbares Buch zu lesen beginne, das mich in eine andere Welt entführt.

Schön, wenn man ein Zuhause haben darf, einen Ort, an dem man sich wohlfühlt, mit Menschen zusammen, die einem lieben. In diesem Zuhause macht mir der Nebel nicht mehr viel aus.

Aber doch, zwischendurch geniesse ich ihn sogar, den Nebel: wenn ich etwa im Nebel im Wald spazieren gehe und meinen Gedanken nachhängen darf und mich der Nebel nur den nächsten Baum schauen lässt. Da bin ich ganz in meiner Welt und der Nebel hilft, mich zu konzentrieren und in der inneren Welt aufzugehen. Konzentrationshilfe sozusagen ist der Nebel dann.

Eigentlich ist er ja ganz hilfreich, dieser Nebel: er bringt Feuchtigkeit mit seinen Milliarden an extrem leichten Regentröpfchen, die in der Luft schweben, zu allen Bäumen und Pflanzen und versorgt sie mit den nötigen Mineralien.

Ja, so schlimm ist er gar nicht. Aber zu oft möchte ich ihn nicht erleben. Nein, bitte nein. Und zum Schluss das Schönste, dass einem der Nebel bescheren kann: wenn ich beim Aufstieg auf einen Berg langsam aus dem Nebel herauskomme und dann auf das unter mir liegende Nebelmeer schauen darf. So wie auf dieser Foto. Das ist dann wirklich etwas vom Schönsten!

Thomas Josi