Pfarrkolumne

Auf­stieg und Abstieg am Tränenseil

In der Pfarr­ko­lumne vom März macht sich Clau­dia Buhl­mann Gedan­ken über das Wei­nen und Lachen.

Unser Weg, liebe LeserInnen, ist ein Weg des Wandels. Das wird uns jetzt, wenn der Frühling vor der Tür steht, bewusst. Die Natur, die sich im Winter zurückgezogen hat, steigt wieder auf. Die ersten Knospen brechen auf, Frühblüher stecken ihre Spitzen aus der Erde. Absteigen, Aufsteigen, Absteigen, Aufsteigen… so geht es Tag für Tag, Jahr für Jahr.

Im apostolischen Glaubensbekenntnis, das ich im Konfirmationsunterricht auswendig gelernt habe, heisst es: «….hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten». Jesus ging die Wege von Abstieg und Aufstieg, bis er die Welt und das Leben hinter sich gelassen hatte.

Diesen Weg gehen wir jetzt mit. Wir lassen uns am Karfreitag in die Abstiegs-Realität führen und am Ostermorgen rufen wir mit den Christen weltweit: «Christus ist auferstanden».

Es tut gut, dass unser Glaube nicht lebensfern ist und uns durch die Zeiten leitet und begleitet.

Leiten und Begleiten, ein gutes Miteinander fördern, Menschen trösten und ermutigen, dass kann Religion bieten. Leider sieht die Realität oft anders aus.

Eine Geschichte aus Tibet erzählt Folgendes:

Ein junger Mann, der ganz allein in der Welt stand, hatte wie durch ein Wunder eine Frau gefunden. Das machte seinen Nachbarn neidisch. Er beschloss, den jungen Mann aus dem Weg zu räumen. Dazu führte er ihn an ein tiefes Loch in der Erde in dem angeblich ein Drache hauste. «Erst, wenn der Drache besiegt ist, wirst du deinen Frieden finden» sagte er.

Er liess den Jungen an einem Seil hinab und als sich dort unten kein Drache, sondern Edelsteine fanden, rief er: «Tu die Schätze in den Korb. Ich ziehe erst den Schatz und dann dich nach oben!». Ihr könnt euch denken, dass das nicht passierte. Der Nachbar verschwand mit dem Korb und dem Seil auf Nimmerwiedersehen.

Seine Frau suchte verzweifelt nach ihrem Liebsten. Dabei kam sie zu dem schwarzen Loch und hörte ihn weinen. «Da bist du ja. Ich habe dich gefunden» rief sie freudig. «Aber wie willst du mich retten» seufzte ihr Mann. Die Frau gab nicht auf, sie begann zu weinen und die Tränen reihten sich, oh Wunder, aneinander. Ein Seil aus durchsichtigen Perlen entstand und reichte in die dunkle Tiefe. Daran kletterte der junge Mann nach oben und die beiden waren wieder vereint.

Es waren und sind die Tränen, die uns Menschen beim Aufsteigen helfen. Wir müssen uns ihrer nicht schämen. Nicht am Karfreitag und wenn wir sonst traurig sind. Nicht am Ostermorgen oder wenn wir vor lauter Lebenslust, Freudentränen lachen.

Mögen wir miteinander teilen: den Abstieg und den Aufstieg. Das Weinen und das Lachen – hier in Münchenbuchsee, in unserem Land und in der Weltfamilie. Möge beides von Herzen kommen, so wie diese Gedanken.

Ihre Claudia Buhlmann